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              Im vergangenen 
            Herbst sorgte die Untersuchung 
            eines jungen Politikdozenten für Aufsehen in den Medien: Die 
            Helden mehrerer Kassettenkinder-Generationen - Bibi Blocksberg und 
            Benjamin Blümchen -  wurden verdächtigt, die "Entwicklung 
            politisch mündiger Bürgerinnen und Bürger kaum [zu] 
            fördern, wenn nicht sogar [zu] behindern". Zu diesem niederschmetternden 
            Ergebnis kam Strohmeier nach intensivem Hörspielkonsum und 
            forderte, ein genaueres Augenmerk auf die politische Sozialisation 
            der kleinen Kinderchen in Deutschland zu legen.  Nun ist es tatsächlich 
            nicht von der Hand zu weisen, dass in den Abenteuern der oben genannten 
            Hörspielhelden politische Zusammenhänge stark vereinfacht 
            mit überzeichneten Figurenpersonal dargestellt werden; die 
            hierzu erstellten Kurzcharakteristiken der wichtigen Handlungsträger 
            sind einsichtig und zeugen von der genauen Recherche des Passauer 
            Politologen, doch kann die indirekt ausgesprochene Ansicht, es werde 
            lediglich ein linksliberaler bis linksalternativer Nachwuchs mit 
            tendenziell anarchischen bzw. antistaatlichen Ansichten vor dem 
            Kassettenrekorder sozialisiert, nicht geteilt werden; aus dem Blickwinkel 
            der Entwicklungspsychologie betrachtet, ist auch keine Gefahr einer 
            solchen kindlichen Beeinflussung gegeben. 
  
            
                
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                        Benjamin 
                        Blümchen im Kreise der Neustädter 
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            An der gesamten 
            Untersuchung bleibt daher ein leichter Beigeschmack der Effekthascherei 
            haften, auch wenn konstatiert wird, nicht die "konkrete Wirkung 
            dieser beiden Hörspiele auf Kinder" analysiert, "sondern 
            nur das ihnen inhärente politische Sozialisierungspotential 
            illustriert" zu haben.  Mag 
            sein, dass man aus politikwissenschaftlicher Sicht  Benjamin 
            Blümchen und Bibi Blocksberg das Prädikat "wertvoll" 
            absprechen muss, doch verkennt eine solche These den psychischen 
            Entwicklungsstand der kindlichen Hörer - die erwachsenen 
            Fans sollten eigentlich schon die kognitive Phase des Denkens erreicht 
            haben und somit über den machthungrigen Bürgermeister, 
            den anarchistischen Benjamin und die unbestechliche Karla Kolumna 
            schmunzeln können.  Geht man jedoch davon aus, dass die eigentliche 
            Zielgruppe besagter Hörspiele Kinder zwischen sechs und zehn 
            Jahren sind, kann man feststellen, dass die überspitzt und 
            vereinfacht dargestellten Charaktere dem kongretoperationalen Denken, 
            wie es Jean 
            Piaget für Kinder ab dem siebten Lebensjahr festgestellt 
            hat, 
            entgegenkommen. Blickt man außerdem auf Lawrence
Kohlbergs Erkenntnisse über die Entwicklung des moralischen Bewusstseins bei
Jugendlichen, ist es einsichtig, warum in Kinder- und Jugendhörspielen keine
gebrochenen Charaktere gibt, sondern die Welt in schwarz und weiß, gut 
            und böse, richtig und falsch eingeteilt
wird.  Da Kinder erst langsam ein
Bewusstsein für Moral entwickeln müssen, bevor sie als  kritische Individuen eine eigene
(politische) Meinung ausbilden können, sind solche klar verständlichen 
            Identifikationsfiguren notwendig. Bibi und Benjamins vorhersehbares 
            Agieren in vereinfacht dargestellten Machtstrukturen kommt dem Egozentrismus 
            und dem fremdbestimmten Moralbewusstsein der präkonventionellen 
            Entwicklungsstufe entgegen und gibt erste "anarchistische" 
            Denkanstöße, Regeln nicht immer nur deshalb einzuhalten, weil Übertretungen sonst mit Strafe sanktioniert 
            werden.  War man zum Beispiel als Kind
nicht auch fasziniert von der gleichmacherischen Gemeinschaft der Schreckensteiner, in der
Gehorsam und Unterwerfung unter die scheinbar so liberalen Burgregeln
selbstverständlich ist? Benötigt ein Kind in der konventionellen Moralstufe
nicht gerade solche Erfahungen, um ein differenziertes Bewusstsein für das
soziale System zu entwickeln, sein Gewissen auszubilden - sehnt sich nicht
selbst der wildeste und aufmüpfigste Jugendliche nach vorgegebenen Regeln, die
er befolgen kann, auch um soziale Beziehungen durch eine Konformität mit
anderen zu gewinnen?  Da nach Kohlberg keine der Stufen in der Entwicklung des 
            Moralbewusstseins übersprungen werden kann, bieten die Kinder- 
            und Jugendhörspiele eine gute "Entwicklungshilfe" 
            - Benjamin und Bibi für die jüngeren, Hörspielhelden 
            wie zum Beispiel die Pizza-Bande für die älteren Hörer. 
            
  
            Anhand 
            von zwei Folgen dieser 1980er-Hörspielserie kann gezeigt 
            werden, dass auch relativ triviale Kinderhörspiele aus der 
            Massenproduktion der Labels "Europa" und "Schneiderton" 
            ein differenziertes Bild  politischer Agitationsmöglichkeiten 
            aufzeigen.  
            
                
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                        Tommi, 
                        Milli, Schräubchen und TH hüten ein Geheimnis. 
                        In einer unbewirtschafteten Kiesgrube haben sie sich 
                        ein heimliches Reich geschaffen. Aber das Glück 
                        soll nicht lange währen! Der Inhaber der Kiesgrube 
                        hat Pläne, die unsere Pizza-Bande unbedingt verhindern 
                        muß...  
                        (Inhaltszusammenfassung 
                        auf dem Originalcover der Hörspielproduktion von 
                        EUROPA aus den 1980er Jahren) 
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            In 
            der Geschichte "Das Paradies der Frösche" gelingt 
            es den vier Jugendlichen, einen Kiesgrubenbesitzer von der Zerstörung 
            eines Naturparadieses abzuhalten. Dabei bekommt die Pizza-Bande 
            Unterstützung durch eine eigens von den Erwachsenen gegründeten 
            Bürgerinitative.  Mit Mut und Durchsetzungsvermögen können 
            sie den mürrischen, aber im Grunde herzensguten Unternehmer 
            davon überzeugen, auf einen Kompromissvorschlag einzugehen: So wird ein 
            Teil der Grube als Naturschutzgebiet erhalten, aber trotzdem wieder 
            Kies abgebaut . Es gelingt also, wirtschaftliche Belange mit aktivem 
            Umweltschutz zu verbinden: "Natur und Geschäft kommen 
            zu ihrem Recht!"  Kritisch wird hierbei von den "komischen 
            grünen Vögeln", wie sie vom Besitzer der Kiesgrube 
            anfangs abfällig bezeichnet werden, die Knappheit der Zeit 
            thematisiert, die den "Behördenweg" aussichtslos 
            erscheinen ließ und die Naturschützer zur Agitation vor 
            Ort genötigt hat. Dies wird jedoch keineswegs als einzige Lösungsmöglichkeit, 
            sondern als letzter Rettungsversuch angesehen. Mit der Mobilisierung 
            der Presse und gleichgesinnten Freunden wird gerade noch rechtzeitig 
            die Flucht nach vorne angetreten, um die Bagger friedlich an der 
            Zerstörung des Naturgebiets zu hindern. Hierbei ist neben Mut 
            vor allem diplomatisches Fingerspitzengefühl gefordert, weshalb 
            die Pizza-Bande sogar das Kriegsbeil mit der Jugendbande ihres Widersachers 
            Schlaukopf begräbt, um gemeinsam Stärke zeigen zu können. 
             Insgesamt vermittelt das Abenteuer seinen jungen Hörern 
            ein recht realistisches Bild politischer Teilnahmemöglichkeiten, 
            wobei der Schwerpunkt eben nicht mehr auf einer vereinfachten Darstellung 
            von Gut und Böse, Richtig und falsch gelegt wird, sondern Problemlösestrategien 
            wie Kompromiss- und Gesprächsbereitschaft angeboten werden. 
            Auch das - gerade in den 1980er Jahren tagespolitisch hochbrisante 
            - Thema des Umweltschutzes wird in dieser Geschichte nicht unreflektiert 
            über alle anderen Belange gestellt, sondern in für 
            Jugendliche verständlicher Weise in seiner komplexen Wechselwirkung 
            mit anderen gesellschaftlichen - hier wirtschaftlichen - Interessen 
            gezeigt.  
            
                
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                        Was 
                        bedeuten die seltsamen Vorfälle in der schönen, 
                        alten "Lindenhof"-Siedlung? Dahinter können 
                        nur gemeine Geschäftemacher stecken, glauben die 
                        vier von der Pizza-Bande. Sie beschließen, sich 
                        einzumischen und ihren türkischen Freunden zu helfen. 
                        Und wieder mal haben Tommi, Schräubchen, Milli 
                        und TH die rettende Idee... 
                        (Inhaltszusammenfassung 
                        auf dem Originalcover der Hörspielproduktion von 
                        Schneider-Ton aus den 1980er Jahren) 
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            Mit 
            "Ein Hai sitzt auf dem Trockenen" sei ein weiteres Hörspiel 
            aus dieser Jugendserie, die auch als Buchfassung beim Schneider-Verlag 
            erhältlich gewesen ist, angesprochen. Neben der latenten Diskriminierung 
            von Ausländern, die auf Unwissenheit und Angst vor dem Fremden 
            zurückgeführt wird, und der gemeinsamen Agitation zur 
            Errettung eines alten Wohnblocks vor den Abrissplänen eines 
            Miethais stehen natürlich auch wieder 
            die spannenden Ermittlungen der Pizza-Bande im Vordergrund.  Zusammen 
            mit den deutschen und türkischen Bewohnern gelingt die Durchkreuzung 
            der rigorosen Pläne des Bauspekulanten, wobei den durch die 
            Mieter und die Presse aktivierten Kommunalpolitikern große 
            Bedeutung zukommt. Anzumerken ist jedoch, dass hier der Unternehmer 
            zwar knallhart seine Interessen verfolgt, aber keineswegs auf illegale 
            Mittel wie zum Beispiel Bestechung 
            zurückgreift.  Einmal informiert zeigen sich die Stadtratsmitglieder 
            überhaupt nicht untätig, sondern nehmen sich rasch und 
            kompetent dem Problem an. 
            Dabei erfahren die jungen Hörer unter anderem, wie man zum Beispiel 
            bei öffentlichen Anhörungen im Rathaus Kontakt mit den 
            gewählten Volksvertretern aufnehmen kann.  
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            Auch 
            wenn es offensichtlich ist, dass besonders bei Bibi Blocksberg und 
            Benjamin Blümchen oft
kein gutes Bild von der Politik und ihren Vertretern gezeichnet wird, muss bezweifelt 
            werden, dass hierbei der politische Sozialisationsprozess von Jugendlichen in eine kritische Richtung
geführt  oder gar die Entwicklung politisch mündiger Bürgerinnen 
            und Bürger behindert wird. Alleine anhand die angeführten Gegenbeispiele 
            der Hörspielserie Pizza-Bande konnte die politische Unbedenklichkeit von Kinderhörspielen 
            aufgezeigt werden. So  ist wohl nicht zu erwarten, daß alle
Kinder, die durch Benjamin und Bibi erstmals mit Poltik in Berührung gekommen
sind, als Erwachsene später im linksliberalen Wählerspektrum wiederzufinden sind. 
              
            Michael 
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