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                 Vielleicht hätte 
                Marco Sonnleitner, 37 Jahre alt, gebürtiger Münchner, 
                seit einiger Zeit Gymnasiallehrer in Memmingen, an jenem Erscheinungstag 
                seines ersten Buches - also, vielleicht hätte Herr Sonnleitner 
                am 7. Februar 2003 besser nicht die Seite rocky-beach.com aufgerufen 
                und ins Diskussionsforum geschaut. Dort schreibt der User "Pamir" 
                über die Folge "Gefährliches Quiz": "Habe 
                das Buch jetzt durch. Sehr abstruse Story. Peter ist ständig 
                am Motzen, und man hat den Eindruck, daß Peter und Bob 
                nur herumalbern, obwohl die Situation recht ernst ist. Des weiteren 
                möchte ich gerne mal wissen, warum Sonnleitner immer wieder 
                von Justus Jupiter Jonas spricht. Als dann auch noch Justus` 
                Satz 'Herr, schmeiß Hirn vom Himmel' kam, fragte ich mich, 
                ob Rocky Beach eine oberbayrische Kleinstadt ist." Rocky 
                Beach ist keine oberbayerische Kleinstadt. "Pamir" 
                weiß das. Sonnleitner weiß das, Millionen Leser 
                wissen das. Allen anderen sei gesagt, dass es sich bei Rocky 
                Beach um ein gänzlich fiktives kalifornisches Küstenkaff 
                handelt, in dem drei nicht minder fiktive Jungs seit nunmehr 
                35 Jahren mysteriöse Rätsel lösen. Erster Detektiv: 
                Justus Jonas; Zweiter Detektiv: Peter Shaw; Recherchen und Archiv: 
                Bob Andrews. Bis heute haben "Die drei ???" 111 Fälle 
                geknackt; die Nummern 109 ("Gefährliches Quiz") 
                und 110 ("Panik im Park") gehen auf Sonnleitners Konto. 
                "Ein irrer Zufall", sagt er. "Normalerweise kommt 
                man in dieses Autorenteam gar nicht rein." Zuerst hatte 
                der Gelegenheits-Schriftsteller nämlich ein ganz anderes 
                Script an den Kosmos Verlag geschickt: "Tom O`Donnel", 
                eine Fantasy-Geschichte, die mittlerweile bei Wißner erschienen 
                ist. Von der Kosmos-Lektorin gab`s damals eine Absage und ein 
                Angebot: Einer von insgesamt vier Autoren der erfolgreichsten 
                deutschen Jugendkrimi-Reihe sei ausgefallen. Ob er mit den "drei 
                Fragezeichen" etwas anfangen könne? "Und die 
                Bücher hatte ich natürlich gelesen, bestimmt 30 Stück, 
                als ich zehn Jahre alt war." Sonnleitnr sagte leichten 
                Herzens zu. Dass er ein schweres, sogar hoch brisantes Erbe 
                amtreten würde, ist ihm erst später klar geworden. Das 
                erste Buch, "Die drei ??? und das Gespensterschloss", 
                erschien im Jahr 1968. Geschrieben hatte es der Amerikaner Robert 
                Arthur, aber auf dem Cover prangte schon damals das Schwarzweiß-Porträt 
                eines dicken Herrn in Denkerpose. Dass Alfred Hitchcock neben 
                seiner Tätigkeit als Regisseur auch noch reihenweise Bücher 
                schreiben konnte, in denen er zum Teil selbst auftrat (als väterlicher 
                Freund der drei Detektive) - für die jugendliche Leserschafdt 
                war es ein beständiger Quell ehrfürchtigen Erschauerns. 
                Tatsächlich hatte der Meister des Suspense bloß seinen 
                Namen an die Krimireihe ausgeliehen. Der Deal mit Hitchcock, 
                der 23 Jahre nach seinem Tod noch immer als Autor genannt wird, 
                machte die drei ??? berühmt, besonders in Deutschland. 
                In den USA wurde die Reihe mach 56 Folgen eingestellt; danach 
                gingen die Rechte an den Stuttgarter Kosmos Verlag über. Als 
                Marco Sonnleitner mit der Arbeit an "Gefährliches 
                Quiz" begann, lag neben ihm ein dickes Handbuch, angefüllt 
                mit den Konstanten einer mittlerweile kultisch verehrten Serie, 
                eine Art ???-Gebrauchsanweisung.  
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                 Dort ist aufgelistet, 
                was jeder Autor wissen muss: dass Bob einen gelben Käfer 
                fährt; dass Peters Vater als Mann für Special Effects 
                beim Film arbeitet; dass Justus mit zweitem Namen Jupiter heißt; 
                dass es von Rocky Beach nach L.A. mit dem Auto exakt 21 Meilen 
                sind, während die Luftlinie 15 Meilen beträgt. "Und 
                glauben Sie mir, wenn ich in meinem Buch etwas schreibe, und 
                in Band 3 auf Seite 47 stand etwas anderes - dann kommt das 
                raus." Beäugt, auf kleinste Schnitzer hin durchleuchtet 
                und heftig debattiert wird Sonnleitners Schaffen nämlich 
                von einer Fangemeinde, die auf der Internetseite rocky-beach.com 
                tagtäglich ihre kritische Stimme erhebt. "Als feststand, 
                dass ich als Autor verpflichtet wurde, gingen dort sofort die 
                ersten E-mails ein, nach dem Motto: Was`n das für 
                einer?", berichtet Sonnleitner und lächelt ein bisschen 
                gequält. Der Prototyp eines ???-Fans ist männlich, 
                zwischen 20 und 30 Jahren alt, hat alle 111 Bände mehrfach 
                gelesen und begreift sich als Hüter der ???-Überlieferungen. 
                Will es sich ein Autor mit ihm nicht verderben, sollte er die 
                Fakten möglichst nicht vermasseln, sowie die folgenden 
                Faustregeln berücksichtigen: 1. Kein Blut. 2. Keine Politik. 
                3. Und um Gottes Willen: kein Sex! Die Autorin Brigitte-Johanna 
                Henkel-Waidhofer hatte in den 60-er Bänden das Unaussprechliche 
                getan und Justus, Peter und Bob Freundinnen verpasst. "Was 
                Frauen angeht, da sind die Fans sehr konservativ", sagt 
                Sonnleitner. "Das kam gar nicht gut an." Was von Lys, 
                Elisabeth und Kelly zum Zeitpunkt von "Gefährliches 
                Quiz" noch übrig geblieben war, musste er auf Verlagsbitte 
                hin "weiter marginalisieren." Ebenfalls der Zensur 
                zum Opfer fielen: Peters Verunglimpfung eines miesen Zeitgenossen 
                als "du Scheißkerl!" (keine Fäkalausdrücke) 
                und die Erwähnung von Brad Pitt und Anthony Hopkins (keine 
                Verweise auf reale Personen). Womit das ???-Paralleluniversum 
                in Band 109 dann wieder ziemlich perfekt wäre: ein amerikanisches 
                Kleinstadtelysium, in dem nie jemand stirbt, Detektive immer 
                Sommerferien haben und jedes Rätsel innerhalb von 128 Seiten 
                gelöst wird; wo die ???-Zentrale zwar einen Internet-Anschluss 
                bekommen hat, Justus, Peter und Bob seit 1968 aber nur um vier 
                Jahre gealtert sind. Nicht unbedingt der Ort, an dem ein Autor 
                Preise gewinnen kann. Aber austoben, sagt Sonnleitner, könne 
                er sich ja woanders. "Ich mag es, mir diese Geschichten 
                auszudenken. Auch wenn ich dabei ein festgelegtes Instrumentarium 
                benutze und, naja, die Fans manchmal etwas anstrengend sind." Bei 
                rocky-beach.com hat Sonnleitners Debüt nach einigen Tagen 
                übrigens rund 50 Prozent Zustimmung gefunden. An die verbliebenen 
                Mäkler wandet sich der User "Sauron" mit einem 
                emotionalen Appell: "Leute, Leute! Nu macht aber mal halblang. 
                Der arme Jung ist noch ganz frisch, und man merkt schon, dass 
                er Potential hat. Vergrault den Herrn Sonnleitner doch bitte 
                nicht schon vor der ersten Zeile!" Kein Grund zur Sorge: 
                der "arme Jung" will erst mal weiter machen. 
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