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                München - Bevor von 
                Günther Jauch die Rede sein wird und vom wunderbaren Surround-Sound 
                bei Klassik-Sendungen, muss zunächst über Insekten 
                gesprochen werden. Schließlich spielten Insekten am Anfang 
                der nunmehr 80-jährigen Geschichte des Radios in Bayern 
                einee nicht unerhebliche Rolle. Es war am 30. März des 
                Jahres 1924, als erstmals die "Deutsche Stunde in Bayern" 
                auf Sendung ging. In Berlin wurde schon seit einem halben Jahr 
                Hörfunk gemacht, in den USA gab es erste Autoradios, und 
                in München diente von sofort an das Zimmer 473 im Verkehrsministerium 
                an der Arnulfstraße als Studio. Aus akustischen Gründen 
                hatte man es mit dicht gepresster Baumwollwatte gepolstert, 
                die sich zunächst bei Motten, dann auch bei anderen Insekten 
                größter Beliebtheit erfreute. Ungeziefer-Spritzen 
                spielten in diesen Tagen für Radiomacher eine ähnlich 
                bedeutende Rolle wie heute Musikcomputer. Doch weder Motten, 
                noch das Rauschen, noch erste Rückkopplungen konnten den 
                Siegeszug des Radios stoppen. Schon 1922, in Zeiten tiefster 
                wirtschaftlicher Depression, hatten ein Bankdirektor, ein Großhändler, 
                ein Großindustrieller und ein Berliner Legationsrat mit 
                der "Deutschen Stunde in Bayern" eine "Gesellschaft 
                für drahtlose Belehrung und Unterhaltung" gegründet. 
                Gegen erste Bedenken des Innenministeriums übrigens, das 
                "mit Rücksicht auf die Notlage des Volkes und auf 
                die Einschränkung aller Lustbarkeiten" die Idee des 
                Unterhaltungsfunks gar nicht goutierte. Im Gegensatz zu Herrn 
                Hochreiter aus Dingolfing! Herr Hochreiter bestätigte am 
                Sonntag, 30. März 1924 die zwischen 17 und 18 Uhr gesendeten 
                Fanfaren, Schubert-Lieder sowie die erste Strophe des Deutschlandliedes 
                absolut störungsfrei empfangen zu haben. Zwar gehörte 
                Hochreiter im Gegensatz zu Prinzessin Pilar von Bayern nicht 
                zu den 600 gelandenen Gästen im Auditorium Maximum der 
                Universität München. Die Prinzessin ("Es war 
                geradezu schockierend, als aus allen Ecken Stimmen und Klänge 
                drangen") konnte in der Uni all das hören, was nur 
                wenige hundert Meter weiter im Motten-Studio produziert wurde. 
                Herr Hochreiter wiederum war einer der 155 Premier-"Radioten", 
                die sich für zwei Reichsmark im Monat bei der Reichspost 
                eine so genannte "Rundfunkempfangslizenz" besorgt 
                hatten. Schon bald erfeuten sich Zeitansagen, Wetterberichte 
                und Börsennachrichten bei ihm - wie auch bei zehntausend 
                zusätzlichen Schwarzhörern - großer Beliebtheit. 
                Durch eine Draht-Verbindung des Empfängers mit einem nassen 
                Biertragerl aus Zinkblech sorgten Radioten übrigens für 
                eine perfekte Erdung, also guten Empfang.
  
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 Nur ein halbes Jahr nach der Münchner 
                Premiere wurde auch aus Nürnberg gesendet. Und bald spielte 
                ein eigenes bayerisches Rundfunk-Orchester auf. Die Hörer 
                lauschten gefesselt dem Esperanto-Sprachunterricht, dem Frauenfunk, 
                de, Weiß Ferdl, dem Valentin, den Frühgymnastik-Senungen, 
                dem Landfunk und 1931 - von 82 europäischen Sendern übertragen 
                - dem Interview des bayerischen Radioreproters Otto Willi Gail 
                mit Auguste Piccard, Ballonfahrer. Kurz zuvor war aus der "Deutschen 
                Stunde" die "Bayerische Rundfunk GmbH" geworden, 
                die samt neuem Sendergebäude von nationalsozialistischen 
                Gehirnwäschern für großdeutscehn Schmarrn benutzt 
                wurde. Gut, dass die Amerikaner am 12. Mai 1945 den Jazz in 
                Bayerns Boxen brachten. Seitdem ist viel passiert. Die BR-Bergsteigersendungen 
                werden heuer 56 Jahre alt, der Pumuckl ist auch schon 42, seit 
                1966 sendet der BR in Stereo, und das Deutschlandlied hört 
                man nur noch in der dritten Strophe. Danach folgt meist die 
                Bayernhymne. Auf Bayern 4 finden sich wunderschöne Klassik-Sendungen, 
                manchmal sogar im sechskanaligen Rundumklang (Geigen vorne links, 
                Pauken hinten rechts) - und eine Autofahrt ohne B 5 aktuell 
                wird zur Qual. Schade nur, dass Günther Jauch nicht mehr 
                zu hören ist. Der damalige BR-Hörfunkchef Udo Reiter 
                hatte den frechen Moderator, damals war Jauch erst 33, wegen 
                "grob illoyaler" BR-Kritik vorzeitig vor die Tür 
                gesetzt. Seitdem ist zumindest Bayern 3 - darf man das so sagen? 
                - nicht besser geworden. Mit Motten im Studio hat das sicher 
                nichts zu tun.  |